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6. Februar 2009 5 06 /02 /Februar /2009 15:15

Einige von euch wissen schon, was schreckliches hier passiert ist.

Ich möchte nun alles niederschreiben, in der Hoffnung, dass es mir danach ein wenig besser geht.

Am Dienstag war ein sehr anstrengender, aber schöner Tag. Shane war arbeiten, Gillian hat sich an einer Krampfader operieren lassen. Sie kamen beide erst gegen 20 Uhr am Abend zurück. Gillian trug eine Art Gips, der weit bis über das Knie ging und sie in ihrer Beweglichkeit sehr einschränkte.

Am Mittwochmorgen fing ich um 9 Uhr an zu arbeiten, da Gillian sich um das Frühstück kümmern wollte, danach aber meine Hilfe brauchte, da sie ja zum Beispiel nicht Autofahren konnte und sich auf jeden Fall schonen sollte. Nach dem Lunch fuhr ich also mit Jude, dem ältesten nach Midleton, um ihn in die Schule zu bringen. Danach machte ich noch kurz bei einer Tankstelle Halt, da in einem Reifen sehr wenig Luft war und so pumpte ich ihn auf.

Als ich gegen 13:40 Uhr zurück kam, saß Gillian im Fernsehzimmer, sah fern und surfte im Internet, während Alex, das Baby auf dem Boden lag und durch den Raum robbte. Ich frage nach Arran und Gillian meinte, er läge oben in seinem Bett und würde schlafen. Ich spielte dann also mit Alex. Nach einiger Zeit hörten wir oben Fußgetrappel; Arran war von seinem Zimmer in Judes Zimmer gegangen, in dem ein Fernseher stand, auf welchem „Dora the explorer“ lief. Danach war es wieder sehr ruhig und wir nahmen an, dass er Fern sehen würde oder wieder eingeschlafen sei. Nach einer Weile ging Gillian dann nach oben, um nach ihm zu sehen und ihn zu wecken, damit er dann nachts auch schlafen kann. Plötzlich hörte ich hysterisches Schreien, Fußgetrampel und Gillian immer wieder meinen Namen rufen. Ich sprang auf, nahm Alex und als ich auf die Treppe zuging, kam Gillian mir schon mit Arran auf dem Arm entgegen. Sie rief immer wieder „Arran“, legte ihn auf den Boden vor dem Kamin und beugte sich über ihn. Ich hatte Alex auf den Boden gelegt und war zum Telefon gelaufen. Ich rief Shane an, er solle eine Ambulance zu uns nach Hause schicken, legte wieder auf und rannte zu Arran zurück. Ich kniete neben ihm hin und suchte an seinem Handgelenkt und Hals den Puls, sah, dass er nicht mehr atmete und versuchte, ihn zu beatmen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, was passiert war, da Gillian immer noch schrie und versuchte, ihn durch ihr Rufen zurückzuholen. Als ich seinen Kopf nach hinten streckte, sah ich den Abdruck dieser Jalousiekordel an seinem Hals. Ich zitterte am ganzen Körper und mir liefen die Tränen runter, aber ich versuchte weiterhin, ihn zu beatmen, auch wenn ich eigentlich schon wusste, dass es zwecklos war. Arrans Augenlieder waren geschlossen und waren leicht blau angelaufen, ebenso seine Lippen und sein Gesicht war blutleer.  Gillian sagte immer wieder „komm zu mir zurück, wach auf, ich brauche dich, du kannst mich doch nicht einfach alleine lassen“ dann schickte sie mich plötzlich nach draußen, um nach der ambulance zu schauen. Als ich draußen war, fuhr plötzlich ein Auto vor und Trever, Gillians Bruder sprang heraus und rannte ins Haus. Ich konnte wenig später Trever rufen hören:“ Lass ihn los und gib ihn mir!“ Dann kam er raus gerannt, mit Arran auf dem Arm, stieg ins Auto und fuhr davon. Gillian stand an der Haustür, wich dann zurück, sank auf das Sofa vor dem Kamin und bat immer wieder Gott, ihr nicht ausgerechnet Arran zu nehmen. Ich hob Alex auf, die ziemlich verstört aussah. Dann sprang Gillian auf, rannte nach oben und holte Turnschuhe; sie zog einen Schuh, der andere passte nicht, da sie ja diesen Gips hatte, und sagte, sie müsse ihren Sohn suchen. Sie sah mich an und fragte auf einmal: „Er ist tot, oder?“ ich war wie gelähmt und konnte nichts sagen. Gillian schnappte sich den Autoschlüssel und fuhr davon. Ich griff zum Telefon und rief erneut Shane an, um ihn genaueres zu sagen und ihn zu bitten, sofort nach Hause zu kommen. Er war aber wohl schon auf dem Weg, als ich mit ihm sprach.

Ich war ja dann allein im Haus mit Alex und rief völlig verzweifelt Ena (Trevers Au-Pair) an. Ich bat sie, irgendwie zu mir zu kommen und während ich Alex einen Joghurt fütterte, da sie hungrig war, kam sie mit „ihrem“ Kind Kiera herein. Dann weiß ich nicht mehr viel… ich habe aber daran gedacht, dass Jude ja bald von der Schule abgeholt werden sollte; also bat ich Ena auf Alex aufzupassen, während ich losfahren wollte, um Jude abzuholen. Ich war aber nicht weit gefahren, als ich Gillians Auto am Straßenrand parken sah, vor ihrem Auto eine ambulance, aber kein Mensch in Sicht. Ich fuhr um eine Kurve und sah dann Shanes Auto, Trevers und Lisas Auto, sowie Daphnes (Gillians Schwester) auf der Straße stehen. Gillian, Shane, Arran und Rettungshelfer waren nicht zu sehen, da die sofort ins Krankenhaus gefahren waren. Ich stieg aus, da nahm mich Daphne schon in den Arm. Sie sagte mir, Lisa würde Jude holen und ich solle zurück zum Haus fahren und dort warten. Zurück beim Haus fing die Warterei an. Es war echt schrecklich. Ich meine, ich war so sicher, dass er schon tot war, hatte aber dennoch die Hoffnung, dass es nicht wahr ist. Kurz später waren dann sämtliche Leute da, Freunde, andere Verwandte und ich weiß nicht wer alles, einige fuhren wieder weg, andere gingen an das Telefon, fragten mich, was passiert sei, wie es mir ginge, nahmen mich in den Arm oder waren einfach da. Es war schrecklich, aber es tat gut. Lisa und Jude kamen zurück und Ena kümmerte sich um sie. Dann klingelte das Haustelefon; Lisa (sie ist Trevers Frau, Kieras Mutter und Enas Gastmama) hob ab und brach dann weinend in der Küche zusammen. Ein Freund nahm ihr das Telefon ab und beendete dann nach einer Weile das Telefonat. Ich ging in die Küche und Lisa nahm mich in den Arm und wir beide weinten einfach nur noch. Dann kann ich mich für einige Zeit an nicht mehr viel erinnern. Irgendwann packte ich für Jude und Alex einige Sachen zusammen und wir fuhren zu Trever und Lisa (ihr Haus ist ja nur zwei oder drei Minuten mit dem Auto entfernt und man das jeweils andere Haus von den Fenstern aus zu sehen.).  Kiera und Jude spielten sehr schön zusammen, was echt gut war, da wir alle einfach nur fertig waren. Wir fütterten das Baby, versuchten es schlafen zu legen und irgendwie ging die zeit rum. Trever kam irgendwann ins Haus und meinte, ich müsse nochmal zurück, um bei der Polizei eine Aussage zu machen. Wir fuhren zum Haus zurück und als ich das Haus betrat, schüttelte es mich, da ich es eigentlich gar nicht betreten wollte. Die Polizisten starrten mich alle an und einer von ihnen stellte mir einige Fragen. Ich war nicht in der Lage, meinen Namen zu buchstabieren oder mein Geburtsdatum anzugeben, also holte ich einen Stift und schrieb alles auf. Ich musste dann schildern, was alles passiert war und ihnen das Zimmer zeigen. Da wir ja aber nicht dabei waren, können wir nur vermuten, was passiert war. Arran ist in Judes Zimmer gegangen, um Dora an zu sehen. In dem Zimmer sind sehr große Fenster, die schon ca. 30 cm über dem Boden beginnen. Davor ist eine ziemlich schmale Fensterbank. Die Jalousie war natürlich oben und die Kordel hing seitlich herunter. Arran ist wohl auf das Fensterbrett geklettert, hat sich die Kordel um den Hals gelegt und ist entweder runter gesprungen oder auf dem schmalen Brett abgerutscht. Da er noch sehr klein war, konnte er den Boden wohl nicht berühren und es gab nichts, woran er sich festhalten konnte.

Die Polizei brauchte mich nicht lange und so konnte ich einige Sachen zusammen packen und zum anderen Haus zurückfahren. Wie der Abend verging weiß ich nicht mehr, aber ich kann mich erinnern, dass ich einerseits das Gefühl hatte, die zeit würde nicht vergehen, andererseits wollte ich aber auch nicht, dass die Nacht vorbei ging, da das ja bedeuten würde, dass der nächte Morgen kommen würde, vor dem ich wahnsinnige Angst hatte. Ena und ich hatten starke Kopfschmerzen vom Weinen. Sehr spät, also nach Mitternacht kam Gillians anderer Bruder mit seiner Frau aus Dublin an und noch ein wenig später, kamen Gillian und Shane, um Alex und Jude nach Hause zu holen. Ena und ich saßen in ihrem Zimmer und waren froh, ihnen nicht begegnen zu müssen.

Wir schliefen alle kaum in der Nacht und waren auch schon sehr früh wieder auf. Irgendwie verging der Tag, auch wenn ich nicht mehr genau weiß, wie und was alles geschah. Die Familie kümmerte sich rührend um uns alle und man allen an, wie schlecht es ihnen ging. Ena und ich redeten über Arran, seinen Tot und über die Zeit, die jetzt dann kommen würde. Arran war Enas absolutes Lieblingskind und sie kannte ihn ja auch schon sechs Monate.

Die Geschwister waren den ganzen Tag über abwechselnd bei Gillian und Shane, die jedoch mit keinem redeten, und kümmerten sich um Jude und Alex.

Am Abend kamen zwei Freundinnen von Ena und mir (deutsche Au-Pairs) und wir saßen am Tisch und redeten die ganze Zeit von Arran. Ena und ich sind uns einig, dass man Arran nicht wirklich beschreiben kann, sondern ihn erlebt haben muss und vor allem, dass uns jeder Mensch leid tut, der ihn nicht kennenlernen durfte.

Diese Nacht war ein wenig besser. Heute Vormittag sind Ena, ich und noch einige andere Verwandte zu Gillian und Shane gefahren. Ich bin froh, dass wir erst heute hingegangen sind, denn es war immer noch schlimm genug. Gillian nahm mich in den Arm, Shane sah keinen der Leute an, die im Haus waren, Jude schaute „Fluch der Karibik“ an und erzählte mir, dass etwas ganz schreckliches passiert sei, nämlich dass Arran jetzt im Himmel sei und nicht mehr wieder kommen würde, und ich war einfach froh, Alex auf den Arm nehmen zu können und sie zu drücken. Die Eltern, Jude und einige Familienmitglieder machten sich nach einiger Zeit auf den Weg, ich weiß allerdings nicht wohin, während andere da blieben, um sich um Alex zu kümmern. Die Geschwister und deren Ehepartner sind wirklich der wahnsinn, wie sie sich um alles kümmern und alles organisieren und s weiter. Shane tut mir sehr leid, da seine Verwandten ja in Australien sind. Eine Schwester fliegt morgen hierher, aber ansonsten ist er doch ziemlich allein hier.

Ich packte nochmal einige Dinge zusammen und fuhr dann wieder zum anderen Haus zurück, wo ich wohl noch einige Tage bleiben werde. Ich habe keine Ahnung, wie es jetzt die Tage weitergeht. Als Au-Pair werde ich erst mal nicht gebraucht und Enas Gasteltern haben mir gesagt, ich könne so lange hier bei ihnen wohnen, wie ich wollte. Ich bin froh, dass ich hier bin, da es drüber im Haus einfach nur schrecklich ist. Ich weiß nicht, was alles passiert, aber Ena und ich wollen heute Abend weggehen, vielleicht in ein Pub sitzen und über Nacht zu einer Freundin gehen… wir wissen es noch nicht genau.

Mehr kann ich momentan nicht schreiben.

Bitte denkt an mich und all die Menschen, die um den wunderbaren trauern müssen.

Ich danke euch!

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  • : Blog von Patricia R. Möller
  • : In diesem Blog geht es in erster Linie um meinen Au Pair Aufenthalt in Irland gehen. Vielleicht geht es danach aber auch weiter...
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